Interviews

Der Autor Martin Kongstad über die Titel seiner Bücher

Martin Kongstad ist Teil unserer Summer-Read-Reihe – einer Reihe von Interviews, die Talente feiert und möglicherweise die gängigen Vorstellungen darüber, was in uns selbst und in anderen Talente zum Vorschein bringt, in Frage stellt, in ein neues Licht rückt oder gar erstrahlen lässt. 

Das Interview wurde von dem Journalisten Kasper Steenbach geführt.

Martin Kongstad ist eine der Hauptpersonen in der Winterkampagne von Mads Nørgaard. Martin Kongstad, geboren 1963, ist Schriftsteller und Restaurantkritiker für die dänische Wochenzeitung Weekendavisen und Autor mehrerer Bücher. Sein Debüt gab er 2009 mit der Kurzgeschichtensammlung „Han danser på sin søns grav“ (Er tanzt auf dem Grab seines Sohnes), für die er den Debütantenpreis der Danske Bank erhielt. Es folgten 2013 „Fryser jeg“ (Friere ich), 2018 „Kokken der holdt op med at rødme“ (Der Koch, der nicht mehr errötete) und 2020 die Biografie von Casper Christensen mit dem Titel „Casper“.

Was bedeutet es für dich, einen Titel für eines deiner Bücher auszudenken?

Titel sind für mich sehr wichtig, denn ein guter Titel erfasst das Projekt und gibt die Richtung vor. Mich macht es besorgt, wenn der Titel nicht von selbst kommt, denn das kann ein Zeichen dafür sein, dass ich nicht genau weiß, wo ich hinwill.

 

 

Wie wählst du deine Titel?

Mein Debüt von 2009 heißt ‚Han danser på sin søns grav‘ (Er tanzt auf dem Grab seines Sohnes), und der Titel wurde mir während des Schreibens geradezu serviert. Ich war mit einem Freund namens Troels, der bildender Künstler ist, in einem Café in der Borgergade in Kopenhagen. In der Ecke trank eine Gruppe von Alt-68ern schlechten Rotwein, und ich erkannte eine Frau, von der ich wusste, dass ihre Tochter kürzlich im Alter von nur vierzig Jahren auf tragische Weise gestorben war. Irgendwann erhob sich die Frau, ging auf die Tanzfläche und tanzte seltsam entrückt, woraufhin ich mich zu Troels lehnte und flüsterte: ‚Sie tanzt auf dem Grab ihrer Tochter.‘ Ich denke, es ist ein guter Titel, aber die Leute bringen ihn gerne durcheinander und nennen das Buch stattdessen ‚Er tanzt auf dem Grab seines Vaters‘, was ja die üblichere Variante ist. Der Titel wurde später zu einer Kurzgeschichte über einen Vater, der seinen eigenen Sohn verachtet.

 

 

Was ist der beste Titel, den du dir je ausgedacht hast?

Mein zweites Buch heißt ‚Fryser jeg‘ (Friere ich) und dies ist meiner Ansicht nach mein bester Titel. Denn im Kern ist dieser Satz irrational, denn man sollte doch wissen, ob einem kalt ist. Die Frage hat allerdings einen realen Ursprung. Denn diese Frage wurde mir einmal von einer jungen Frau gestellt, mit der ich ausging. Wir waren auf einer Premierenfeier, und sie fühlte sich in der Situation unwohl und betonte dies, indem sie mich fragte, ob ihr wohl kalt sei.

 

 

Welche Titelwahl fiel dir besonders schwer?

Ich hatte große Probleme mit meinem dritten Roman, weil ich nicht wusste, wie ich ihn nennen sollte, und dies bereitete mir extreme Sorgen. Dieser Roman handelt davon, was mit einem Menschen – in diesem Fall einem Meisterkoch – passieren kann, wenn er Erfolg hat. Ich war in Rom, um es fertigzustellen, und eines Abends sagt eine der Figuren im Buch zum Meisterkoch, dass er sich verändert habe, viel selbstbewusster geworden sei und nicht mehr erröte – und da wusste ich, dass der Titel ‚Kokken der holdt op med at rødme‘ (Der Koch, der nicht mehr errötete) heißen sollte.“



Wie lautet dein nächster Titel?

Ich arbeite gerade an einem neuen Roman, und wie schon bei ‚Han danser på sin søns grav‘ und ‚Fryser jeg‘ ist Mikkel Vallin die Hauptfigur. Dies ist eine Person, die meinem Alter Ego ähneln könnte, tut es aber zum Glück nicht in jeder Hinsicht. Den Titel wusste ich bereits, bevor ich mit dem Schreiben begann, weil ich ungefähr wusste, wo ich mit dem Buch hinwollte. Der Titel heißt nämlich: „Vi er trætte af Mikkel“ (Wir haben Mikkel satt). In diesem Buch versuche ich mehr als sonst auf Gefühle einzugehen. Bis jetzt habe ich es vorgezogen, alle Emotionen hinter den Sätzen zu lassen, anstatt sie auszuformulieren, aber dieses Mal möchte ich gerne etwas expressiver zu Werke gehen.

 

 

Welche Titel hast du im Laufe der Jahre verworfen?

Ich habe im Laufe der Jahre mehrere Bücher mit Titeln verworfen, darunter meinen ‚Debütroman‘ über Mikkel Vallin als Rockjournalist in den neunziger Jahren, den ich verworfen habe, obwohl – oder gerade weil – ich daran neuen Jahre gearbeitet habe. Er hieß ‚Rührei‘. Vielleicht werde ich dieses Buchprojekt eines Tages beenden. Außerdem habe ich das Thriller-Projekt ‚Jagtlogen' (Die Jagdloge), den ich sowohl als Film als auch als Roman geschrieben habe, auf Eis gelegt.

 

 

Gibt es einen Titel von anderen Autorinnen oder Autoren, auf den du neidisch bist?

Ich habe einmal mit Jan Sonnergaard über Titel und Namen gesprochen, und er gab Romane sogar dann auf, wenn auf Seite 283 ein schlechter Name stand. Sonnergaard hat sich aber einen meiner absoluten Lieblingstitel ausgedacht: ‚Jeg er stadig bange for Caspar Michael Petersen‘ (Ich habe immer noch Angst vor Caspar Michael Petersen), der vielleicht noch besser gewesen wäre, wenn der Name Pedersen und nicht Petersen gelautet hätte.