Interviews

Der Musiker Loke Rahbek über die Kunst, eine Vorreiterrolle einzunehmen

Loke Rahbek ist Teil unserer Summer-Read-Reihe – einer Reihe von Interviews, die Talente feiert und möglicherweise die gängigen Vorstellungen darüber, was in uns selbst und in anderen Talente zum Vorschein bringt, in Frage stellt, in ein neues Licht rückt oder gar erstrahlen lässt. 

Das Interview wurde von dem Journalisten Kasper Steenbach geführt.

Loke Rahbek, 33, ist Mitbegründer des Plattenlabels Posh Isolation und hat Musik mit Frederik Valentin und in Konstellationen wie Vår, Lust for Youth, Damien Dubrovnik und mit dem Soundscape-Künstler Croatian Amor veröffentlicht. Rahbek ist Teil der Kampagne Mads Nørgaard – Copenhagen Spring 2023.

Du hast davon gesprochen, dass es wichtig ist, ein gesundes Verhältnis zu dem zu haben, was man macht – was braucht es für diese ‚Gesundheit’?

Vielleicht ist Harmonie ja die bessere Wortwahl. Es ist harmonisch, wenn ich die Musik herausfinden lasse, was sie will, und ihr nicht im Weg stehe, indem ich zu viele Vorstellungen davon habe, was aus einer Sache werden soll oder nicht, oder wohin der Weg führen soll. Das ist wichtig für mich, aber ich denke, dass es für andere ganz anders sein kann. Das Wesen meiner Kunst ist eher schüchtern und wird eher durch Ruhe und Raum angeregt als durch große Pläne und Ambitionen. Ich habe jedoch Kolleg*innen, denen es ganz anders geht und die den Prozess ganz anders angehen. Ich glaube, die Harmonie liegt darin, das Wesen der eigenen Kunst zu erkennen und sich von ihm leiten zu lassen. Es mag abstrakt klingen, wenn man über seine Arbeit als eine Form von Beziehung spricht, aber meiner Erfahrung nach ergibt dieses Bild am meisten Sinn. Ich liebe diesbezüglich das Sprachbild ‚The silky, white part of our being‘ der amerikanischen Dichterin Mary Oliver, wenn sie den Teil des menschlichen Wesens beschreibt, in dem die Poesie lebt.

 

 

Wie würdest du dich selbst von außen in Situationen beschreiben, in denen diese Beziehung am ungesündesten oder disharmonischsten war?

Als ich jünger war, suchte ich bei allem in der Kunst nach einem Sinn, und wenn ich ihn nicht fand, suchte ich noch intensiver. Es entsteht aber eine Dissonanz, wenn wir von einer Sache etwas erwarten, das sie uns nicht geben kann. Mittlerweile ist die Kunst nicht mehr der Ort, an dem ich nach meinem Lebenssinn suche. – Ich glaube nämlich nicht, dass dieser in der Kunst zu finden ist. Ich mache Musik, weil es mir Spaß macht, und das ist eine viel harmonischere Ausgangslage. Die Sinnhaftigkeit kommt und geht, aber dieser Sinn ist von ganz anderer Natur, und ich maße mir nicht an, ihn erklären zu können.

 

 

Welches Gleichgewicht zwischen Leben und Kunst strebst du an?

Wenn man in einem Metier tätig ist, das von Natur aus mit einem Publikum arbeitet und mit hartnäckigen und verführerischen, romantischen Vorstellungen über seine Ausführenden aufwartet, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass es die Kunst ist, die gelobt wird, und dass es auch die Kunst ist, die kritisiert wird. Denn auch wenn das Publikum den Unterschied zwischen der Kunst und den Kunstschaffenden möglicherweise nicht erkennt, so gibt es doch einen wichtigen Unterschied. Künstler*innen sind ja nichts anderes als ganz gewöhnliche Menschen, und gute Künstler*innen sind auch nichts anderes als gewöhnliche Menschen, die geübt haben – nur die Kunst allein genießt das Privileg und die Verpflichtung, außergewöhnlich zu sein. Ich glaube, dass jedem Menschen ein Potential innewohnt, aber die Kunst kann und sollte nicht das ganze Sein ausfüllen.

 

 

Macht es die Musik besser, wenn du als Künstler im Gleichgewicht bist?

Als Künstler ist es eigentlich nicht meine Aufgabe zu beurteilen, welche Art von Arbeit am besten ist. Meine Aufgabe ist es, zu arbeiten. Aber es ist ein altbekannter Mythos, dass Künster*innen leiden müssen und sich mit der Arbeit verausgaben müssen, und manchmal wirkt dieser Mythos sehr erdrückend. Es ist ein Mythos, der sehr viele negative Implikationen mit sich bringen kann. Wenn wir uns auf die Prämisse einigen können, dass kein Mensch frei von Leid ist – dies scheint eine Grundbedingung unseres Daseins zu sein – dann bedeutet der Wunsch nach Harmonie folglich keineswegs, dass es an großen emotionalen Erfahrungen und Inhalten mangelt. Meiner Erfahrung nach kann ich eine Emotion viel genauer beschreiben und mit ihr arbeiten, wenn ich nicht völlig von ihr vereinnahmt werde und nicht mitten im Orkan stehe. Hier liegt wahrscheinlich die Grenze zwischen reaktivem und kreativem Arbeiten. Ich interessiere mich für Kunst, die Räume öffnet, nicht für Kunst, die darauf aus ist, ein Programm oder eine besondere Erfahrung zu verkaufen – aber es dürfen gerne Emotionen im Spiel sein, und diese dürfen auch stark sein. Mir ist es wichtig festzuhalten, dass ich glaube, dass es eine Menge großer Kunst gibt, die aus einer starken Ich-Erzählung entsteht, und ich kann mir eine Welt ohne klassische Protagonist*innen nicht vorstellen. Aber eines der Dinge, die mich sofort zur elektronischen Musik hingezogen haben, war das Sampling, also das Konzept, die Geschichten, Werke und Stimmen anderer Menschen zu verwenden, um damit neue Bedeutungen und Universen zu schaffen. Ich denke, dieses Konzept ist von grundlegender Schönheit: eine Geschichte, die aus vielen verschiedenen Stimmen geschaffen wird.